Stuttgart West - Seidenstraße
Am 12. 9. 1944 befanden sich meine Mutter und ich als 5 jähriger Bub auf dem Weg zum öffentlichen Schutzraum in der Seidenstrasse 47 als sie sich in letzter Minute entschloss zu einem entfernteren Bunker zu gehen und dort um Einlass zu bitten. Dieser Bunker oben am Hang wurde durch privaten Einsatz erstellt. Da meine Mutter 4 Kinder hatte war es ihr wahrscheinlich nicht möglich gewesen sich am Projekt zu beteiligen. Ihr wurde daher mehrmals angedroht bei erneutem Erscheinen sie samt Kinder in den Bombenhagel werfen zu lassen. Zum Glück befanden sich meine Geschwister gerade an diesem Tag 12. 9. nicht in Stuttgart, so waren wir eben nur zu zweit und wurden durch geduldeten Einlass vor Schlimmeren bewahrt. Wir verloren unsere Wohnung in der Hegelstrasse. Meine Mutter erzählte mir später dass in dem uns zugeteilten Schutzraum in der Seidenstrasse 170 Personen ums Leben gekommen seien, bis auf eine Handvoll Männer die entgegen den Anweisungen des Luftschutzwartes den Ausbruch aus dem Keller erzwungen hätten. Die dort Verbliebenen sollen noch wegen der Hitze die Wasserhähnen erfolglos geöffnet haben. Mein älterer Bruder holte aus unserem Keller in der Hegelstrasse der längere Zeit unser erster Schutzplatz gewesen war und sich Tage nach dem Angriff noch im heissem Zustand befand Porzellangeschirr heraus. Dieses blieb trotz jahrelangem Gebrauch hernach in sehr geschwärztem Zustand. Monate vor dem 12. September 1944 schlug eine riesige Bombe neben unserem Keller ein in dem wir uns gerade befanden ins Erdreich. In unserer Wohnung im 5. Stock wurden durch Luftdruck Fenster und Türen in Fetzen auseinandergerissen. Noch einmal hatten wir Glück als unsere Verwandten in Pforzheim uns einluden nach dort zu kommen wegen unserer beengten Wohnverhältnisse. Meine Mutter wollte sich nicht entschliessen dieses Angebot anzunehmen. Meine Tante Karoline nebst Tochter Anneliese und Sohn Herbert fand man dann am 23. 2 1945 in Pforzheim in ihrem Keller auf Stühlen sitzend mit je einem Apfel vor dem Mund tot. Lothar Lengler
Stuttgart Süd Eiernest
Wir lebten nach der Zerstörung unseres Wohnhauses in den Produktionsräumen der Firma Haaga, gegenüber vom Marienhospital. Diese Firma hat uns Riegers einen Fabriksaal im 2. Stock als vorübergehende Wohnung überlassen. Dort drin konnten wir sogar Radfahren. Wir wurden 1944 in der Schreiberstr. 24 ausgebombt. Während des Fliegerangriffes nach Mitternacht saßen wir zum dritten mal im Keller. Uns ist nichts passiert. Übrigens, in diesem, meinem Geburtshaus, hat später Konrad Kujau seine Hitlermemoiren geschrieben. Unser Haus wurde versehentlich von einer Luftmine getroffen. Eine englische Bombe der sechsen Flugstaffel hatte den Auftrag Mercedes in Untertürkheim zu zerstören. Einer der Bomber hatte zu früh ausgeklinkt. Das war der allererste Treffer in Heslach.
Auffüllplatz: Dort kam aller Kriegsschutt und was man heute als Restmüll bezeichnet hin. Eine Fundgrube für uns Lausbuben. Dort haben wir auch Tabletten gefunden und weil die süß waren auch gevespert. Wir wurden angezeigt und die Polizei hat uns ins Marienhospital gebracht.Es stellte sich heraus, es waren nur Halsschmerztabletten Rieger
Stuttgart Feuerbach Kräherstraße
War es Intuition? Oder die sehr lauten und damit besonders nahen Bombeneinschläge? Was trieb meinen Opa dazu, den sicheren Stollen in der Kräherstraße in Sorge um sein Haus zu verlassen? Tatsächlich! Zerborstene Ziegel, ein aufgerissenes Dach, dichter Rauch, brennende Dachlatten und züngelnde Flammen am Gebälk! Was tun? Kein Wasser zum Löschen, sämtliche Wasserleitungen waren wegen des Fliegerangriffs abgestellt. Sollte der Traum vom eigenen Haus schon ausgeträumt sein?
„In diesem Moment, wo ich keine Hilfe zu erwarten hatte, ging alles sehr schnell!“ So mein Opa später. „Dein Körper ist im Ausnahmezustand! Du verlässt dich auf deine Arme und Beine, keine Zweifel, nur der Wille, das Haus retten. Adrenalin pur, dein Herz schlägt bis zum Hals, dein Gehirn in Hochform! Kein Wasser zum Löschen – die Alternative? Most, richtig Most, aus meinem Fass im Keller.“ Mit zwei vollen Eimern zwei Stockwerke hinauf bis zur Bühne, den Most zischend ins brennende Gebälk gekippt. Zurück zum Keller, Spund herausgerissen, damit es schneller geht, mit kräftigem Strahl die Eimer gefüllt, Spund hineingedrückt, Eimer gepackt, wieder hinauf zum Brandherd. War es noch zu schaffen oder finden die Flammen in den Glutnestern immer wieder neue Nahrung? „Nicht daran denken, dranbleiben!“ „Die Oberschenkel brennen, Sauerstoff wird knapp, doch der Körper kann viel mehr als man glaubt.“ Dann, völlig ausgepumpt und erschöpft, er hatte Glück gehabt, oder es war Fügung, keine offenen Flammen mehr, nur noch feuchter Qualm.
„Im Nachhinein konnte ich mich an die Anzahl meiner Eimer nicht mehr erinnern. Es mussten viele gewesen sein, denn mein zuvor randvolles Fass war nur noch knapp bis zur Hälfte gefüllt.“
Noch heute zeugen schwarze Schmauchspuren im Dachstuhl von seinem mutigen Einsatz. I Bernd Joachim Müller