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Zeitzeugenbericht eines Vertriebenen
Ich bin in Danzig geboren und aufgewachsen. 1945 wurden ich und meine Familie, meine 3 Brüder und meine Mutter vertrieben. Zwei weitere Geschwister sind in Danzig verhungert. Für meine Mutter war es furchtbar ihren Kindern nichts zum Essen geben zu können. Mein Bruder ist in meinem Schoß gestorben. Die Russen haben auf einer benachbarten Wiese ein Rinderkadaver geworfen und haben furchtbar gelocht, wie sich die Menschen darüber hermachten. Wir sind dann in Etappen nach Stuttgart gekommen. Mein Vater hatte im Krieg ein Bein verloren und war in Hersching in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Es war bereits Verwandtschaft im Bereich von Stuttgart und deshalb ließ sich mein Vater nach Stuttgart aus der Gefangenschaft entlassen. In den Osten wollte er auf keinen Fall, da er nicht in den russisch besetzten teil wollte. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bereits in Sachsen. Wie meine Verwandten nach Stuttgart gekommen sind, weiß ich nicht. Mein Vater hatte eine Stelle bei Daimler bekommen. Er war gelernter Automechaniker und hatte eine Stelle als Kontrolleur im Wareneingang erhalten. Dort war er über 30 Jahre beschäftigt. Nach seiner Entlassung schickte er ein Telegramm meiner Mutter, dass sie auch nach Stuttgart kommen solle, da er eine entsprechende Zuzugs- und Aufenthaltsgenehmigung dafür hatte. Meine Mutter brach dann mit vier Kindern auf. Der Wachmann im dortigen Lager war dann so menschlich, dass er uns ziehen ließ. Er hätte dies uns durchaus verwehren können. Wir Kinder hatten jeder ein kleines, von unserer Mutter genähtes Rucksäckchen. In diesem war alles drin was wir besaßen. Unsere Mutter war herzkrank und viel öfters um. Das war für uns Kinder immer ein Drama. Wir kamen zuerst nach Ulm in ein Barackenlager und dann ging es weiter nach Stuttgart. Hier wurden wir in den Bunker nach Feuerbach einquartiert. Die Einweisung erfolgte vom Flüchtlingsamt. Wir meldeten uns beim Bunkerwart der uns dann zwei Räume im Bunker zuwies. Die Zuzugsgenehmigung war immer ein Problem Einmal hieß es ihr dürft bleiben , ein anderes Mal ihr müsst wieder zurück. Vielleicht wurden hier auch bewusst Gerüchte gestreut um die Flüchtlinge gefügig zu halten. Der Eingang in diesen Bunker war dort wo heute die Wasserzentrale ist. Andere Eingänge waren nicht geöffnet. Es gab sehr viel Streit im Bunker. Der Bunkerwart musste daher immer schlichtend eingreifen. Die Menschen kamen aus allen Gegenden von Deutschland. Wir Kinder waren natürlich auch sehr schwierig. Wir rasten durch die Gänge und haben damit die Bewohner gestört. Es besuchten uns immer wieder Kommissionen von der UNESCO, welche die Aufgabe hatten den Wohnzustand zu erfassen. Der Leiter dieser Kommission war ein Mister Thomsen. Er hatte mit seiner Kommission den ganzen Bunker inspiziert. Offensichtlich hatte er an mir als kleines Kind einen Narren gefressen. Er holte mich des öfters zu sich und seiner Frau in seine Wohnung am Killesberg. Dort durfte ich über das Wochenende bleiben. Ich hatte ein eigenes Zimmer und ein hervorragendes Essen. Ich wurde immer mit seinem großen Auto abgeholt. Mister Thomsen wollte mich sogar adoptieren und nach England nehmen, wo ich eine gute Ausbildung erhalten sollte. Damit war meine Mutter aber nicht einverstanden. Mister Thomsen war meiner Familie trotzdem gut gewogen und ermöglichte es uns1949 eine 3-Zimmerwohnung in Bad Cannstatt zu erhalten. Er hatte bei den Behörden offensichtlich schon ein bedeutendes Wort mitzureden. 

Meine Schule war die Bismarckschule. Wir waren 60 Schüler in einer Klasse. In unserem Bunkerraum gab es keinen Tisch an welchem wir unsere Hausaufgaben machen konnten. Dies geschah an der Bettkante, wo wir uns hinknien konnten.

Als wir unsere Wohnung bekommen hatten, haben wir das Leben im Bunker schnell hinter uns gelassen. Es gab dann kein Kontakt mehr zu ehemaligen Mitbewohnern. Der Grund vielleicht lag auch daran, dass wir eigentlich auseinander gerissen wurden. Einer kam nach Bad Cannstatt, der andere nach Heslach. Man war nach dem Auszug aus dem Gröbsten raus und wollte das Vergangene vergessen


Regina Haller Beskidenstraße

Meine Familie, Vater, Mutter und ich flüchteten 1952 aus Ostdeutschland. Mein Vater war mit dem dortigen Regierungssystem nicht einig und hasste Kommunisten. Er war beider Deutschen Reichsbahn beschäftigt und sollte in die Partei eintreten. Da er sich weigerte, verlor er seinen Arbeitsplatz und auch die Beamtenwohnung. Er war auffällig geworden und stand kurz vor einer Verhaftung. In Verwandter der im Stadtrat war, setzte ihn davon in Kenntnis. Er verließ noch in der selbigen Nacht uns. Er ging mit der S-Bahn nach Westberlin, was damals noch möglich war. Meine Mutter und ich wählten zwei Monate später den gleichen Weg. Die Stasi hatte meine Mutter dermaßen unter Druck gesetzt. Im S –Bahn Zug weinte meine Mutter ständig, so dass eine gegenübersitzende Frau sie an ansprach, sie solle eine Beruhigungstablette nehmen, sonst würde an der Grenze jeder erkennen, was wir vorhaben. Sie gab meiner Mutter eine Tablette. In Westberlin holten uns mein Vater und ein Bekannter vom Bahnhof ab und wir konnten bei diesem Bekannten vier Wochen bleiben. Er verköstigte uns auch. Es gab dafür keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite. Es gab damals viele Berliner Bürger, die Flüchtlinge unentgeltlich aufnahmen. Die Amerikaner flogen diese Flüchtlinge mit ihren Transportmaschinen, die Berlin versorgten, auf ihren Rückflügen aus, wenn Platz vorhanden war. Wir mussten darauf vier Wochen warten und kamen dann in das Aufnahmelager Gießen. Dies war das Furchtbarste was ich erlebt hatte. In einer großen Halle waren mit Wollteppichen Räume abgeteilt. Meine Eltern und ich und ein wildfremder Mann mussten uns diese Räumlichkeiten teilen. Die Wanzen krabbelten an den Wänden hoch. Auch die Decken auf unseren Betten waren total verwanzt. Am Morgen war ich immer total verbissen. Mann durfte seine Lagerstätte eigentlich nicht verlassen, weil sonst einem das Letzte gestohlen wurde. Seine Habe musste man ständig im Auge behalten. Nach vier Wochen wurden wir dann nach Stuttgart weitergeleitet, weil mein Vater dort einen Bekannten benennen konnte. Zuerst kamen wir in die Ludendorfkaserne nach Kornwestheim und auch hier war es mit der Hygiene wie in  Gießen. Es war dann ein großer Fortschritt, als wir in den Tiefbunker in Untertürkheim eingewiesen wurden. Wir hatten wenigstens unsere eigenen vier Wände  Wir rechneten mit einem Aufenthalt von wenigen Wochen, es wurden dann zwei Jahre daraus, von 1952 – 1954. Im Bunker erhielten wir zwei Zellen in denen wir wohnten. In einem Raum waren meine Eltern, ein Raum war als Wohnraum und für mich als Schlafraum. Der bestand aus einer Pritsche für mich, einem kleinen Tisch, einem Stuhl und zwei Hockern. Nachts konnte man nur sehr schwer auf die Gemeinschaftstoilette gehen. Deshalb schafften wir uns zwei Zinkeimer an, in die man seine Notdurft verrichten konnte. Am nächsten Morgen wurde dies dann in die Toilette entleert. In dem Bunker waren alle Kabinen belegt. Es gab alle Arten von Menschen – vom Säugling bis zum Greis, vom Alkoholiker bis zum Wohnsitzlosen. Es gab Flüchtlinge aus Ostdeutschland, Heimatvertriebene aus Schlesien, Ungarn (Donauschwaben), Rumänien (Siebenbürgen). Die Heimatvertriebenen verließen relativ rasch wieder den Bunker, da sie ein Anrecht auf Entschädigung hatten. Flüchtlinge aus Ostdeutschland bekamen nichts.Meine Mutter war durch die Umstände psychisch angeschlagen und ich musste mein Leben mit 11 Jahren größtenteils selbst in die Hand nehmen und organisieren. Außerhalb seiner eigenen vier Wände durfte man nichts liegen lassen, weil dort wie die Raben gestohlen wurde. In einem der Räume war eine Mutter, die ein Kind im Bunker geboren hatte. Da sie einen Bandscheibenvorfall hatte, konnte sie das Kind nicht hochheben. Deshalb kümmerte ich mich um das Kind und fuhr es mit dem Kinderwagen spazieren. Gegenüber lebte ein Ehepaar mit einem 4-jährigen Sohn. Beide Elternteile gingen morgens zur Arbeit und schlossen ihr Kind in einem der Räume ein. Das Licht wurde vorher gelöscht. Der Junge wimmerte die ganze Zeit, aber niemand störte dies. Ich ging deshalb selbst zur Polizei, die das Kind dann befreite. Der Bunkerwart hatte vor seinem Raum ein Aquarium mit Fischen. Die Fische waren aber durch die lange Dunkelheit blind geworden und stießen immer wieder an das Aquarium-Glas. Ich saß oft lange davor und beobachtete dies. Dies war wie Unterhaltung an einem Fernseher. Die Luft in die einzelnen Räume kam über die Lüftungskanäle,. Außerhalb gab es einen großen Ansaugstutzen über den die Luft angesaugt wurde. Im Sommer standen über dem Ansaugstutzen immer große Schwärme von Schnaken, die dann mit angesaugt wurden. Meine Mutter versuchte uns zu schützen, indem sie über die kleinen Einblasstutzen einen Nylonstrumpf darüber stülpte Ein Mann aus Schlesien flocht tagaus, tagein Körbe. Vermutlich hatte er dies schon in seiner Heimat gemacht. Er machte mir aus Weiden einen Puppenwagen. Ich wurde in die 6. Klasse in die Lindenschule eingeschult, obwohl ich zwei Jahre lang keine Schule besucht hatte. Das Sächsische gewöhnte ich mir schnell ab, da ich bemerkte, dass dies nicht gut ankam,. Ich schämte mich aber wegen meiner Unterkunft und nahm nie Schulkameraden mit in den Bunker. Während des Bunkeraufenthalts bekam ich Diphtherie und wurde in Rommelshausen in einer Isolierstation zwei Monate behandelt. Der Wohnraum im Bunker wurde vom Gesundheitsamt desinfiziert.  Die Zeit in Rommelshausen war meine schönste Zeit. Hier hat es an nichts gefehlt. Nach  zwei Jahren bekamen wir eine Wohnung im Dachgeschoss, wo Abstellräume umgebaut wurden. Mein Vater hatte bei Daimler eine Arbeitsstelle bekommen, meine Mutter arbeitete beim „Lumpen Wolf“. Meine Mutter hat sich psychisch nie mehr erholt und es endete mit ihrem Suizid. 

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