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Berichte zu Bunker als Wohnraum

 

Ein Streifzug durch die Stuttgarter „Wohnbunker“

Für Wohnungs- und Heimatlose, vor allem aber für entlassene Soldaten, die keine Bleibe mehr haben, wurden im Lauf der letzten Zeit in Groß-Stuttgart mehrere Heime und Unterkünfte geschaffen. Aus dem Hochbunker in der Sickstraße in Gaisburg entstand ein Männerwohnheim, das die Evangelische Gesellschaft betreut. Der Caritas-Verband hat im Zusammenwirken mit dem Wohlfahrtsamt die in städtischem Besitz befindlichen Bunker im Süden der Stadt in Heimstätten umgewandelt. Im Eiernest entstand ein Frauenheim, alleinstehende Männer kommen im Bunker Schreiberstraße 44 unter. Der Bunker am Marienplatz wurde für Durchreisende, also für solche, die nur wenige Tage eine Schlaftstelle benötigen, eingerichtet. Etwa fünfzig Familien leben zur Zeit im Bunker Böheimstraße 64. Ein Plan zur Errichtung weiter Heime liegt vor.

 Es ist schwer vorwärts zukommen. Weiße und braune kleine und kleinste nackte Kinderfüße trippeln umher, huschen über den kalten Boden. Die schmalen Bunkergänge sind zum Versteck- und Fangspielen wie geschaffen und die vielen kleinen Bewohner des Bunkers nützen diese Gelegenheit weidlich aus. Kein Zweifel: sie fühlen sich hier wohl. Voll Stolz zeigen zwei zehn- und zwölfjährige Brüder ihre „Wohnung“, in der die fünfköpfige Familie seit einigen Wochen lebt. Je zwei feldbettartige Gestelle übereinander, eine Bank und ein größerer Hocker, den Tisch ersetzend, sind die einzigen Möbelstücke. Die Garderobe der ganzen Familie hängt an drei Haken an der Wand. Dass die Ältere Tochter sich zur Zeit nicht wohl fühlt und das Bett hüten muss, hat auch eine gute Seite: sie nimmt dadurch keinen Platz weg. Ich frage, ob und wie es möglich ist, dass die ganze Familie gleichzeitig hier zusammen ist. Doch, das ginge prima, erklären die Jungen. Die Mutter lächelt. Sie sind froh, endlich wieder in Stuttgart untergekommen zu sein. In verschiedenen Orten ist die Familie, meist getrennt, untergebracht gewesen, nachdem sie vor zwei Jahren hier total ausgebombt wurde. Nirgends hat es richtig geklappt. Und nun ist man wenigstens wieder in Stuttgart und beieinander und – für sich. Zudem ist noch eine kleine Aussicht vorhanden, einmal doch wieder eine richtige Wohnung zu bekommen. Vorläufig geht’s so, nachdem man doch nichts mehr hat. – Nebenan ist eine Flüchtlingsfamilie mit vier Kindern eingezogen. Zwei Kabinen stehen zur Verfügung; sie kommt sich fürstlich vor: nach wochenlangem Unterwegssein wieder eine feste Bleibe!

Eine Küche für fünfzig Familien

In einem Vorraum, der als Waschküche dient, steht ein kleiner Herd, der benützt werden kann – wenn Holz da ist. Ein größerer Raum, mit Holzbänken und Tischen versehen, ist gemeinsamer Aufenthalts-, Essraum und Küche zugleich. Küche für fünfzig Familien! Eine Mutter wärmt auf dem einzigen elektrischen Kocher die Milch für ihren Kleinen. Frauen stehen wartend herum. Sie schweigen und lächeln auf die Frage, ob es möglich sei, eine Einigung über die Reihenfolge zu erzielen. Sind sie zu müde, um sich zu streiten oder zu dankbar, nach monatelangem Hausen in Gemeinschaftslagern endlich wieder ein eigenes Leben führen zu können? Sie haben allerdings auch schon davon gehört, dass sich zwei Familien in einer normalen Vier-Zimmer-Wohnung nicht einigen können...

Sie nehmen sich kaum Zeit, im Duschraum die Spuren der Arbeit abzuwaschen. Schreibend sitzen sie in dem langen dunklen Gemeinschaftsraum. Briefe an alle möglichen und unmöglichen Leute und Stellen gehen ab, Briefe, um eine Spur der verloren gegangenen Angehörigen zu finden. Viele Heiminsassen sind schon wieder weitergezogen, nachdem es ihnen auf diese Weise gelungen war, die Vermissten zu finden. Ob es ihnen denn hier gar nicht gefällt? Doch, meint einer, man sei froh, endlich wieder ein Dach über dem Kopf zu haben. Andere deuten wortlos auf die riesigen feuchten Flecken an der Wand: Der Regen schlägt durch. Das Heim befindet sich noch im Ausbau. Die Bewohner – die meisten kamen aus der Kriegsgefangenschaft – haben sich gemeinsam mit frischem Mut daran gemacht, die Kriegsschäden zu beseitigen, das Dach in Ordnung zu bringen, den Speiseraum herzurichten und den ungemütlichen Saal in kleinere Schlafräume abzuteilen. Aber – das Material ging aus. So sitzen sie missmutig in der halbfertigen Räumen herum und warten.

 Die Bewohner des Männerbunkers dagegen sind guter Dinge. Es sind fast durchweg entlassene Soldaten jeden Alters aus allen Gegenden Deutschlands, die hier im Garten sitzend oder liegend den Feierabend verbringen. Und sie finden ihr „Hotel“ sehr in Ordnung. Manch einer ist dabei, dem sein Zimmer: Kabine mit Tisch, Stuhl und einem Bett, recht feudal vorkommt. Der Kriegsversehrte hat außerdem einen bequemen Lehnstuhl im Zimmerchen und im Gang hat jeder einen eigenen Spind. Leuchtende Rosen, Lektüre und hübsche Aschenbecher stehen auf den Tischen der gemütlichen Sitznischen, die sich in jedem Stock befinden. Und was nun ihr Haus von einem richtigen Hotel unterscheide, fragen die Männer? Eigentlich fehlen nur die Fenster. Aber daran gewöhnt man sich.

 Zwei alleinstehende Lehrerinnen, die eine Kabine teilen müssen, sollten eigentlich miteinander auskommen. In diesem Fall steht dem nur das Bett, das sich anstatt auf dem Erdboden über dem andern befindet, im Weg. Beide haben schon manches Jahrzehnt auf dem Rücken und beiden fällt es schwer, nach dem Vielerlei des Tages noch den Humor aufzubringen, diese technische Schwierigkeit freiwillig auf sich zu nehmen. Leitern gibt es natürlich keine. Nicht einmal Stühle sind für jeden Raum da. Wenn man wenigstens einen kleinen Schrank hätte! Manche haben den Versuch, Ordnung in die winzige Behausung zu bringen, bereits aufgegeben. Eine junge Kontoristin jedoch, die das Glück hat, ihre Kabine im Augenblick allein bewohnen zu dürfen, hat das Kämmerchen in ein Schmuckstück verwandelt. Ein buntes Kissen liegt auf der feldgrauen Bettdecke. Ein verschämt lächelnde Sofapuppe sitzt daneben. Bildchen schmücken die weiß Wand. Dazu verfügt die Besitzerin über einen eigenen elektrischen Kocher, was hier einen unerhörten Reichtum darstellt. Und doch ist gerade sie das Sorgenkind der Heimleiterin: sie arbeitet nicht. Von früh bis spät liegt sie im Garten in der Sonne. Für solche Gäste ist jedoch auf die Dauer kein Platz hier.

 Fröhliches Treiben herrscht im Garten am Waldesrand, der zum Bunker gehört. Mütter mit ihren Kleinen sitzen im Gras handarbeiten oder lesen. Andere arbeiten in dem Gemüsegärtchen, das sie sich hier anlegen durften. Eine werdende Mutter liegt im Lehnstuhl – bis die Sonne untergeht und man in die kleine fensterlose Behausung zurückkehren muss. Mit fünf Kindern in einem Raum! Kein Wunder, dass Betten, Bank, Boden übervoll belegt sind mit den Habseligkeiten, die man noch besitzt. Ein Glück, dass die Kleinigkeiten, die Kleinen vom Umhertollen todmüde sind und sofort einschlafen. Früh morgens geht’s schon hinaus in den Garten. Wie ist es aber bei schlechtem Wetter? Man wagt es kaum, an den Winter zu denken. Und sie sprechen nicht gern darüber. Hoffen sie, bis dahin eine andere Unterkunft zu finden oder sich an diese Behausung gewöhnt zu haben?

Bericht Württemberg. Abendzeitung 19.10.49

Eine dicke stickige Luft schlägt uns entgegen als wir die Stufen des Sonnenbunkers hinabgingen. 18 Familien leben seit Jahren hier. Die Männer waren als Kriegsgefangene hier einquartiert worden und hatten dann ihre Frauen aus ganz Deutschland nachkommen lassen, in Stuttgart geheiratet, weil sie hier Arbeit bekommen hatten. Eine Frau liegt krank in ihrer Kabine. Sie ist mit einer dunklen, unbezogenen Decke zugedeckt und versucht bei schlechtem Licht zu lesen. Im Gang hört man ununterbrochen Kindergeschrei. Buben toben durch die Gänge. Wir dürfen in einige Zellen sehen. Es gibt große Unterschiede. Die einen haben kaum noch Lust ihre zerwühlten Betten ordentlich einzudecken. Andere haben mit rührender Geduld den düsteren Räumen etwas Schönheit abzugewinnen versucht. Eine Heimarbeiterin, die mit ihrem erwachsenen Sohn eine Kabine bewohnt, hat Efeu in eine kleine Vase gesteckt, weil Blumen in dieser sauerstoffarmen Sonnenlosigkeit nicht halten würden. Im Sonnenbunker sind neun Kinder unter 14 Jahren, davon drei Säuglinge. Wir wundern uns nicht, dass einmal ein Bunkerkind in einem Waldheim zu seiner Betreuern sagte,: Das schönste im Waldheim ist, dass die Sonne früh aufs Bett scheint. Im Bunker leben z.Zeit nur noch Mutter und ihre Kinder in zwei Zellen. Der Vater hat sich ein Hütte über der Erde gebaut. Er verträgt die Luft nicht mehr, da er schwer astmakrank geworden ist.

Feuerbacher Bunker
Acht Kinderwagen stehen auf der Decke am Eingang des Bunkers in der Sonne. Ein paar wackeln hin und herund zappelnde kleine Füße sehen heraus. Das Stücken Land hat man mit einiger Mühe erhalten, damit man wenigstens die Kleinkinder in der Sonne stehen lassen kann. Es ist fast nicht zu ertragen als wir die Stufen hinuntergehen. Hier mengt sich nicht nur die Luft von Kochdunst und vielen Menschen, hier wird desinfiziert und der Geruch schlägt sich auf die Lungen, so dass man kaum atmen kann. Wir können es kaum eine halbe Stunde aushalten. Hier scheinen besonders viele Kinder zu sein. Wir fragen einen Buben der uns über das Leben hier unten erzählen soll. " Ich will bloss in den Hallschlag", sagt er. "Da sind die Wohnungen alle 60 Kilometer lang und vor den Häusern liegen 1000 Äpfel für die Kinder". So werden die Träume eines Kindes bekannt. In diesem Bunker leben 148 Menschen, davon 39 Kinder. Ein Mann ist Nachtarbeiter. Er bewont mit seiner Frau und einem Kleinkind eine Kabine. Die Frau arbeitet tagsüber und der Mann der am Tage schlafen sollte, nebenher ein schweres Magenleiden auskuriert, muss das Kind betreuen. Es gibt für alle nur eine Lösung.... raus, raus raus.